Die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft, mehr Klimaschutz und Regeln für eine gerechtere Gesellschaft – diese Themen standen im Fokus der international besetzten Konferenz anlässlich des 20-jährigen Bestehens des UN Global Compact (UNGC) und des Deutschen Global Compact Netzwerks (DGCN). An der hybriden Konferenz im Allianz Forum in Berlin und im Livestream beteiligten sich insgesamt mehr als 1.000 Zuschauer*innen und Gäste.
Das 20-jährige Jubiläum des UN Global Compact und des Deutschen Global Compact Netzwerks fällt zusammen mit einer der gravierendsten Krisen der letzten Jahrzehnte, der COVID-19 Pandemie. Unternehmen sind hier in besonderem Maße gefordert, die Welt nachhaltig zu verändern. Dabei bieten die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDGs) in herausfordernden Zeiten ein wichtiges Leitbild zur Orientierung.
Macondo publishing war an der Konzeption, Planung, Gestaltung und Vorbereitung beteiligt.
Das 20-jährige Jubiläum des UN Global Compact und des Deutschen Global Compact Netzwerks fällt zusammen mit einer der gravierendsten Krisen der letzten Jahrzehnte, der COVID-19 Pandemie. Unternehmen sind hier in besonderem Maße gefordert, die Welt nachhaltig zu verändern. Dabei bieten die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDGs) in herausfordernden Zeiten ein wichtiges Leitbild zur Orientierung.
Marcel Engel, Leiter der DGCN Geschäftsstelle, betonte zu Beginn der Jubiläumskonferenz, dass rund 45 weitere deutsche Unternehmen dem UN Global Compact seit Ausbruch der Pandemie beigetreten sind. Dies deute darauf hin, dass Nachhaltigkeitsthemen nicht an ihrer Relevanz für die Wirtschaft in diesen herausfordernden Zeiten eingebüßt haben. Thorsten Pinkepank, Vorsitzender des DGCN Lenkungskreises, umriss in seiner Einführung den zentralen Rahmen und die damit verbundenen Fragen der Konferenz: „Multikrisen brauchen Multistakeholder. Wir brauchen Transformation. Das ist unstrittig. Aber wohin? Wie schnell? Und wie können wir auf dem Weg Auseinandersetzungen in Dialoge überführen?“
Auch Sanda Ojiambo, neue Generalsekretärin und CEO des UN Global Compact, bestätigte diese Sichtweise: „Business as usual“ sei nicht länger eine Option. „Die Pandemie zeigt, dass wir widerstandsfähiger werden müssen.“ Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Vorstandsetagen zu. Lise Kingo, ehemalige CEO des UNGC und in Berlin vor Ort, betonte deshalb in ihrer Keynote: „Nachhaltiges Wirtschaften ist heute eine strategische Entscheidung. Das Thema ist deshalb vom Untergeschoss der Abteilungen an die Spitze der Unternehmen, in die Vorstandszimmer, gerückt.“ Für ihre Leistungen als Leiterin des UN Global Compact in den Jahren 2015 bis 2020 erhielt die Dänin den erstmalig vom DGCN verliehenen „SDG Bär“ als Auszeichnung.
Transformation als Chance und Herausforderung
Die Bedeutung, aber auch die Stolpersteine der Transformation diskutierte das erste Podium zu „Business Leadership for Sustainable Development in the 2020s: Performance with Purpose”. Dr. Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender der BASF, betonte, dass heutige Manager mehr Herausforderungen bewältigen müssten als jemals zuvor. „Wir hatten noch nie so viele Themen gleichzeitig, die wir teilweise auch gegeneinander ausbalancieren müssen. Vielleicht müssen wir uns auch ehrlich fragen, ob wir das denn auch alles gleichzeitig bewältigen können oder wo wir priorisieren müssen.“ BASF fokussiert sich beispielsweise auf das Thema Klimaschutz. Die Ludwigshafener wollen deshalb bis Ende 2021 für jedes ihrer Produkte einen „Product Carbon Footprint“ vorlegen. Dadurch werde der Impact auf das Weltklima transparent. Dieser soll schrittweise in Richtung CO2-Neutralität bis 2030 gesenkt werden. Zugleich gab Brudermüller zu bedenken, dass solche Transformationen nur mit und durch gesunde Unternehmen umsetzbar seien. Je länger jedoch die Covid-19 Pandemie anhalte, desto mehr Firmen würden in eine Situation gedrängt, in der sie um das Überleben kämpfen und weder Zeit noch Ressourcen für Transformationsprozesse hätten.
Für einen drastischeren Kurswechsel warb Prof. Dr. Maja Göpel: „Adaptive Denkweise, die nur auf Verbrauchsreduktion schaut, reicht nicht mehr. Wir erkennen, dass die Reboundeffekte das Gewonnene meist wieder zu Nichte machen. Wir brauchen deshalb echte Transformation.“ Die Wissenschaftlerin und Bestsellerautorin rief zu einer „großen Trendwende bei der Art, Dinge zu betrachten“ auf. Es sei keine Zeit mehr für Silodenken, sondern „Zeit für Ehrlichkeit“. Dazu gehört für Maja Göpel, dass die Ziele bereits klar formuliert seien. Darüber bräuchte man nicht mehr zu verhandeln. Jetzt gehe es vielmehr um die die Frage, warum das alles noch nicht erreicht sei. „Warum haben wir so viel Zeit vergeudet?“, fragte sie rhetorisch in die Runde.
Das griff Antje von Dewitz zustimmend auf: „Merkwürdig, dass es in unserer Gesellschaft so viel schwerer ist, Verantwortung zu übernehmen als keine Verantwortung zu zeigen.“ Von Dewitz ist Geschäftsführerin des Outdoor-Ausrüsters Vaude. Das schwäbische Unternehmen hat sich in der Textilbranche als Vorreiter für Nachhaltigkeit einen Namen gemacht. Sie gibt anderen Unternehmen den Rat, eine Betriebskultur zu schaffen, die den konstruktiven und transparenten Umgang mit Zielkonflikten erlaube.
Als Vertreter der Zivilgesellschaft stimmte Klaus Milke dem zu und erweiterte den Blick. Zielkonflikte gebe es ja nicht nur im Unternehmen, sondern vor allem zwischen Anspruchsgruppen. Milke ist Ehrenvorsitzender der NGO Germanwatch und Vorsitzender der Stiftungsplattform Foundations 20 (F20), einer Allianz für mehr Klimaschutz. Konflikte, so Milke, dürften nicht ausgelassen werden, aber nur mit gemeinsamem Handeln könnten die bestehenden und kommenden Herausforderungen gemeistert werden. Dabei spiele die Wirtschaft eine große Rolle, aber die Politik müsse die Entscheidungen treffen. Milke: „Wir dürfen Politik nicht aus der Verantwortung lassen. Wir brauchen ihre Guidance und ihre Regelungen.“ Zugleich warnte er davor, dass die „Räume, in denen die Zivilgesellschaft noch gehört wird und frei sprechen darf, immer kleiner werden.“
Auf dem Weg in eine CO2-arme Welt
Einen passenden Brückenschlag von der aktuellen Coronakrise zur Klimakrise schlug Patricia Espinosa, Generalsekretärin des UN Klimarates (UN Framework Convention on Climate Change). In ihrer Keynote unter dem Titel „A net zero future in a post-corona world” betonte die frühere mexikanische Außenministerin: „COVID-19 ist die drängendste Bedrohung, mit der die Menschheit heute konfrontiert ist, aber der Klimawandel ist die größte Bedrohung, der die Menschheit auf lange Sicht ausgesetzt ist. Führungspersönlichkeiten müssen sich fragen: Wie können wir zu einem proaktiveren und langfristigeren Modell übergehen?“
Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, betonte im Rahmen der zweiten Paneldiskussion die Dringlichkeit der globalen Erwärmung. Derzeit bewege sich die globale Erwärmung auf einem 3,5 Grad-Pfad. Wolle man auf die im Pariser Abkommen völkerrechtlich vereinbarten 1,5 bis 2 Grad zurückkehren, müsse der CO2-Ausstoß alle zehn Jahre um 50 Prozent reduziert werden. Das sei ein ambitioniertes, aber notwendiges Ziel. Wird dieses durch die Corona-Pandemie in Frage gestellt? Das glaubt Messner nicht. Positiv sei die veränderte Einstellung vieler Menschen. Vor allem bei jungen Personen gebe es ein neues Nachhaltigkeitsbewusstsein. Messner verglich es mit dem „Washington Consensus“ vor 30 Jahren, als die Welt sich auf die Liberalisierung der Märkte und Privatisierung als gängigen Lösungsweg einigte. Heute könne Nachhaltigkeit diesen Grundkonsens bilden. Zugleich warnte der Präsident des Umweltbundesamtes davor, die Perspektive des globalen Südens zu vernachlässigen. Anders als bei der Finanzkrise 2008/2009 würden viele Wiederaufbaupläne nach Covid-19 die Realität der Entwicklungsländer nicht mitbedenken. „Aber das meiste davon wird nur in Kooperation mit dem Süden wahr werden.“
In der weiteren Diskussion ergänzten Dr. Maria Mendiluce, Wioletta Rosolowska und Georg Weber ihre Positionen. Mendiluce ist CEO der „We Mean Business“ Coalition. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss gemeinnütziger Organisationen, die mit den einflussreichsten Unternehmen der Welt zusammenarbeiten, um Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Sie findet: „Die Ansprüche an Vorreiter*innen im Klimabereich sind deutlich gestiegen. Wir sehen Unternehmen, die sich für einen grünen Aufschwung einsetzen.“
Wioletta Rosolowska ist Geschäftsführerin von L’Oréal Österreich und Deutschland. Deutschland sei ein strategisch wichtiges Land und nach Umsatz der viertgrößte Markt der L’Oréal Gruppe. Sie findet, die eigenen Mitarbeiter*innen seien intrinsisch motiviert, das Thema Nachhaltigkeit voranzutreiben und das Unternehmen unterstützt das, indem diese Ziele mittlerweile auch Teil der internen Gratifikations- und Entlohnungssysteme seien.
Georg Weber ist Technikvorstand der Wilo Group. Der Konzern mit Hauptsitz in Dortmund ist ein weltweit führender Hersteller von Pumpen und Pumpensystemen. Weber zeigte in der Diskussion ganz praxisnah auf, wie Modernisierung sowohl ökonomisch als auch ökologisch nützt: Der Mittelständler biete effizientere Produkte an, die 90 Prozent weniger Energie verbrauchen. Würde man weltweit solche Pumpen verwenden, könnten bis zu 80 Kohlekraftwerke eingespart werden. Weber betont die Notwendigkeit von gesetzlichen Regulierungen wie die europäische Ökodesign-Richtlinie, um Unternehmen zu energieeffizienten Investitionen zu motivieren, die etwa 10 bis 20 Prozent teurer seien. Ohne Gesetze und Regulierungen würden Unternehmen nicht schnell genug handeln.
Wie zahlt das in die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie ein?
Kanzleramtschef Helge Braun betonte in seiner eröffnenden Keynote am Nachmittag, dass wir in einer Zeit leben, „in der Nachhaltigkeit eine exponentielle Bedeutung bekommen hat“. Braun sieht Deutschland als „Vorbild und Vorreiter“ bei der Vereinbarung von Wohlstand und Nachhaltigkeit. Die Covid-19 Pandemie sei kein Grund, von anderen Pfaden, etwa beim Klimaschutz, abzuweichen. In der Krise müsse man vielmehr die Anstrengungen gleichzeitig angehen und verstärken. Das gelte auch für das in Arbeit befindliche Sorgfaltspflichtengesetz (auch als Lieferkettengesetz bekannt). Braun versprach den anwesenden Unternehmensvertreterinnen und -vertretern in Berlin zugleich, dass der Gesetzgeber keine unverhältnismäßigen Belastungen plane. „Es darf auf keinen Fall ein Bürokratiemonster werden.“
Achim Steiner, Leiter des UN Entwicklungsprogramms (UNDP), ergänzte per Videobotschaft die Zusammenhänge zwischen Entwicklung, Digitalisierung und Innovation. Noch immer lassen sich globale Probleme nämlich nicht allein durch eine veränderte Einstellung, sondern vielmehr durch verändertes Handeln unterstützt durch neue Technologien lösen.
Verantwortung entlang der Wertschöpfungskette war eines der zentralen Themen im abschließenden Panel „Wirtschaften im Sinne einer gerechteren Gesellschaft”. Mario Mehren, Geschäftsführer des Gas- und Ölunternehmens Wintershall DEA, wusste vor allem aus schwierigen Geschäftsumfeldern wie etwa Nordafrika zu berichten. Gunther Beger, Abteilungsleiter im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), erzählte von seinen Erfahrungen in der Textilbranche. Dort seien die Lieferketten vieler Betriebe transparent, die zahlreicher anderer aber nicht. Die Gesetzesinitiative wolle deshalb Standards festlegen, die für alle gelten. Provokativ fragte er: „Warum gibt es strengere Regeln für Produktsicherheit als für Menschenrechte?“ Auch Prof. Dr. Jutta Allmendinger warb für gesetzliche Regeln. Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin sagte: „Bei Freiwilligkeit stagnieren wir immer bei 50 Prozent. Wollen wir auch die anderen 50 Prozent in Bewegung bringen, braucht es dafür mehr Regeln und mehr Bürokratie.“
Dr. Sigrid Nikutta, Vorstandsvorsitzende der DB Cargo, wies darauf hin, dass die Wertschöpfungskette auch die Transportkette beinhalte und betonte die Notwendigkeit, menschenrechtliche Auswirkungen in Transportketten auch in Deutschland im Blick zu behalten. Weiterhin sieht sie in den Bereichen Chancengleichheit und vor allem Geschlechtergleichheit nach wie vor großen Handlungsbedarf in deutschen Unternehmen. Auch Prof. Dr. Jutta Allmendinger betont den Handlungsbedarf bezüglich Gendergerechtigkeit und bestätigte die Anmerkung von Gunther Beger, dass bei derzeitigem Tempo weitere 100 Jahre, und in der Wirtschaft sogar 250 Jahre notwendig sind, um Chancengleichheit zu erreichen. Im Hinblick auf die Verteilungsgerechtigkeit betonte sie zudem: „Je geringer die Ungleichheit, also der Abstand zwischen den Einkommen, desto größer ist die Zufriedenheit im Leben allgemein und in Krisen“.
Abschließend dankten Thorsten Pinkepank und Marcel Engel im Namen des DGCN allen Panellist*innen und Unterstützenden, insbesondere dem Allianz Forum, dem Bundesministerium für wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der Stiftung des DGCN und Conny Czymoch für die Moderation durch die Veranstaltung.